Anselm König Band

Lyrikkonzerte

Gewaltloser Widerstand in Kriegszeiten

Frieden in der Ukraine

Samstag, 19. März 2022

Wie muss der gewaltlose Widerstand aussehen gegen die sinnlose Zerstörungswut eines Angriffkriegs? Bevor die Zivilbevölkerung schutzlos den Bomben, Raketen, Panzern und Soldaten-Massakern ausgeliefert wird, soll jede einigermaßen vernünftige Regierung sagen:

„Wir werden uns nicht wehren, wir werden Eure Angriffe nicht erwidern, weil wir unsere Frauen, Kinder und Familien nicht opfern dürfen! — Wir werden Eure Soldaten-Menschen freundlich empfangen und ihnen sagen: Ihr seid genauso verletzbare und wertvolle Menschen wie wir, deshalb gewähren wir euch unsere bedingungslose Gastfreundschaft! Aber die Präsidenten, Banker und Oligarchen, die Euch zu uns schickten, auf dass ihr unser Land rauben und unsere Bürger töten sollt, denen erwidern wir: Bleibt zu Hause in euren Schlupflöchern, euren Geheimverstecken und Hochsicherheitsbunkern, bleibt in euren eigenen Gefängnissen der Unterdrückung und Vernichtung wehrlosen Lebens! Denn das Leben, die Schöpfung opfert sich nicht, kennt keinen Selbstmord. Es entfaltet sich immer wieder aufs Neue in unendlicher Vielfalt.

„Ich kenne nur eine einzige Pflicht, das ist die Pflicht, zu lieben. Und zu allem übrigen sage ich nein.“
Tagebucheintrag Albert Camus, 1972

Wir werden den Angreifern keinen Vorwand geben, unsere Häuser, unser Leben zu zerstören. Wir werden ihre Panzer nicht mit Molotowcocktails bewerfen und deshalb werden sie keinen Grund haben, unsere Wohnungen in die Luft zu sprengen, uns zu vertreiben, unsere Städte zu umzingeln, uns auszuhungern.

Das ist unser Aikido, unser Zurückweisen der Angriffswut eurer Befehlshaber auf sie selbst: Wir stellen ihre Gewalt bloß, wir führen ihre Dummheit vor, wir zeigen der Weltgemeinschaft, wie krank und lebensfeindlich und selbstvernichtend ihre Kriege gegen die Schöpfung sind!

Und sie werden schweigen, weil ihre Gewalt keine Gegengewalt erzeugt. Und sie werden ratlos sein und merken, dass sie kein Argument mehr haben fürs Morden und Brennen. Sie werden eine Weile unser Land besitzen und ausbeuten wollen, unsere Arbeitskraft für ihre Interessen missbrauchen, aber wir werden uns nicht unterdrücken lassen, wir werden ihnen solange widerstehen mit zivilem Ungehorsam und mit der Hilfe aller friedliebenden Staaten dieser Welt, bis sie völlig isoliert und machtlos und unbedeutend sein werden. Sie werden bald aussterben. Ihre Macht- und Wachstums-Ideologie wird sinnlos. Das Achten und Bewahren unserer Schöpfung wird überleben.

Und wenn der Kanzler eines uns freundlich gesinnten Landes einen 100-Milliarden-Kredit für die Verteidigungs-Maschinerie seines eigenen Landes ausgeben will, dann werden wir ihm sagen: 100 Milliarden für Euer Militär sind 100 Milliarden Verlust für den Schutz unseres Planeten, unseres Weltklimas, sind verloren für unseren Zivilschutz. Und wenn die Parlamentarier des uns freundlich gesinnten Landes ihrem Kanzler und dessen „Sondervermögen“ stehenden Applaus für militärische Aufrüstung spenden, dann sagen wir ihnen, wie hochnot-peinlich diese „standing ovations“, diese Zustimmung für einen Kanzler ist, der dem alten, untauglichen Gleichgewicht des Schreckens dient. Eure Volksvertreter müssen in betretenem Schweigen sitzen bleiben, in Erinnerung an die grausame Vergangenheit der Kriegsanleihen1 von 1914.

Wir aber brauchen neue Visionen, wir brauchen Mut und Fantasie zum Bewahren der Schöpfung. Jeder Gedanke, der die Zerstörung ablehnt und die Entfaltung des Lebens fördert, ist uns willkommen. Wir werden aufhören, das Leben zu töten und die Schöpfung preiszugeben den Gewaltherrschern. Wir werden gewaltlos widerstehen und auferstehen als verantwortungsvolle Eltern unserer Kinder, als dankbare Überlebende der untergegangenen Kriegswelt.“

…Alle Menschen, die den Weltfrieden und das Bewahren der Schöpfung wollen, mögen diese Ermutigung weiterschreiben und -denken als unendliche Geschichte des Überlebens …

 

1Als die Kriegsanleihe wird in der deutschen Geschichte im Allgemeinen jener Beschluss der SPD im Jahr 1914 bezeichnet, der die Finanzierung des Ersten Weltkriegs ermöglichte. Der Beschluss war heftig umstritten, weil die Partei noch im Juli 1914 gegen den Krieg demonstriert hatte, die Reichstagsfraktion nun aber einen entgegengesetzten Kurs vorgab.
2BZ-Interview mit Rüstungsgegner Jürgen Grässlin vom VDK Freiburg am 12.03.22
Song „Überleben“

  

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4 Kommentare zu “Gewaltloser Widerstand in Kriegszeiten

  1. Inga sagt:

    Spricht mir aus dem Herzen

    Lieber Anselm!
    Dein Text zum Thema „Krieg“ spricht mir aus dem Herzen! Wenn sich doch nur alle Bürger darin einig wären! Ich frage mich immer, wer die Menschen in der Ukraine so aufgeputscht hat, die russischsprachige Bevölkerung innerhalb ihrer Grenzen nicht mehr dulden zu wollen? Und wer wiedermal die Nutznießer dieses „Völkerhassens“ sind?
    Weißt Du, 1989/90 (nachdem kein TITO mehr die einzelnen Länderchen als „Jugoslawien“ zusammenhielt), als die Serben die Kroaten, die Kroaten die Serben etc. zu hassen begannen + in einen Krieg hineinschlitterten, den dann vor allem die U.S.A. unterstützte durch kräftiges Bombardieren, da imponierte nur Folgendes: Über 1000 (10.000?) junge Soldaten (Bosnier?) waren ausgesandt worden, Ljubljana einzukreisen. Statt dessen ließen sich die Soldaten von den Slowenen gefangen nehmen. Im Fernsehen wurden die jungen Soldaten interviewt, warum sie nicht gekämpft hätten? Ihre mich so begeisternde Antwort: “ Wir hatten nichts gegen die Slowenen!“ — So haben gewiss viele Russen nichts gegen die Ukrainer + viele Ukrainer nichts gegen die Russen! Ach, handelten sie so wie damals in Ex-Jugoslawien oder wie auf Deinem mitgesandten Aufruf! Wir alle wollen FRIEDEN!
    Herzlich, Inga

  2. Karsten sagt:

    Bei den stehenden Ovationen nach der Scholz-Rede erfroren Mark und Bein in mir

    Lieber Anselm,
    danke für diesen Text. Es tut gut, das zu lesen, man fühlt sich dann nicht mehr ganz so einsam mit seiner Sicht der Lage. Ich habe den Eindruck, daß nicht mehr viele Menschen so denken und die meisten von Aufrüstung, Ausrüstung, Nachrüstung, Wettrüstung usw. ge- und verblendet sind. Sie GLAUBEN fest daran, daß das richtig ist. Genau so muß es gewesen sein, als vor 1914 die Flotte aufgerüstet wurde. In der historischen Betrachtung sieht man das ja meistens wie in einen Film im vorstellenden Gedächtnis. Aber jetzt erleben wir es gegenwärtig in der Wirklichkeit. Warum erkennt niemand diese entsetzlichen Parallelen? ALLES ist besser als ein Atomkrieg. Ich habe es genauso erlebt, wie Du schreibst: Bei den stehenden Ovationen nach der Scholz-Rede erfroren Mark und Bein in mir, ich war echt erschüttert. Wenn Fra A-B-Bock mit kaltem Lächeln bedauert, daß nicht noch mehr Waffen geliefert werden können, stockt in mir Geist und Seele.
    Herzliche Grüße,
    Karsten (ex Kohldampf)

  3. George Koenig sagt:

    Gegen bösartige Gewalt hilft nur Gegengewalt

    Lieber Anselm,
    Dein Blog ist wirklich wunderbar utopisch, und ich verstehe was Du mit gewaltfreiem Widerstand meinst und erreichen willst. Aber ich glaube, dass gegen wirklich Böses der gewaltlose Widerstand nichts Positives erreichen kann. Ich denke an den Holocaust, oder auch andere ethnische Reinigungsprogramme, oder die derzeitige sinnlose und brutale Zerstörung in der Ukraine. Wenn man so etwas mit offenen Armen entgegen kommt, dann geht man zwangsläufig in den Untergang. Irgendwann muss man sich gegen das Böse wehren. Gewalt ist immer negativ zu sehen, aber gegen bösartige Gewalt hilft nur Gegengewalt meiner Meinung nach.

    Es tut mir leid, Dich mit meiner Meinung zu enttäuschen. Du bist ein äußerst empfindsamer Mensch, der an allem Leid unserer Zeit mit leidet und versuchst, Wege aus diesem Leiden zu finden. Ich wünsche Dir Erfolg mit Eurem Blog und verfolge gern die weitere Entwicklung.

    Sei umarmt von Deinem
    Georg

  4. Herr K. sagt:

    Bertolt Brecht: Maßnahmen gegen die Gewalt

    Als Herr Keuner, der Denkende, sich in einem Saale vor vielen gegen die Gewalt aussprach, merkte er, wie die Leute vor ihm zurückwichen und weggingen. Er blickte sich um und sah hinter sich stehen – die Gewalt.

    „Was sagtest du?“, fragte ihn die Gewalt.

    „Ich sprach mich für die Gewalt aus“, antwortete Herr Keuner.

    Als Herr Keuner weggegangen war, fragten ihn seine Schüler nach seinem Rückgrat. Herr Keuner antwortete: „Ich habe kein Rückgrat zum Zerschlagen. Gerade ich muss länger leben als die Gewalt.“

    Und Herr Keuner erzählte folgende Geschichte:

    In die Wohnung des Herrn Egge, der gelernt hatte, nein zu sagen, kam eines Tages in der Zeit der Illegalität ein Agent, der zeigte einen Schein vor, welcher ausgestellt war im Namen derer, die die Stadt beherrschten und auf dem stand, dass ihm gehören solle jede Wohnung, in die er seinen Fuß setzte; ebenso sollte ihm auch jedes Essen gehören, das er verlange; ebenso sollte ihm auch jeder Mann dienen, den er sähe.

    Der Agent setzte sich in einen Stuhl, verlangte Essen, wusch sich, legte sich nieder und fragte mit dem Gesicht zur Wand vor dem Einschlafen: „Wirst du mir dienen?“

    Herr Egge deckte ihn mit einer Decke zu, vertrieb die Fliegen, bewachte seinen Schlaf und wie an diesem Tage gehorchte er ihm sieben Jahre lang. Aber was immer er für ihn tat, eines zu tun hütete er sich wohl: Das war, ein Wort zu sagen. Als nun die sieben Jahre herum waren und der Agent dick geworden war vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen, starb der Agent. Da wickelte ihn Herr Egge in die verdorbene Decke, schleifte ihn aus dem Haus, wusch das Lager, tünchte die Wände, atmete auf und antwortete: „Nein.“

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